Aus Budapest erreichte uns die traurige Nachricht, daß unser Ehrenmitglied und Senior des Deutschen Glockenmuseums e.V., Dr. Pál Patay, am frühen Morgen des 4. Oktober, nur zwei Monate vor der Vollendung seines 106. Lebensjahres, verstorben ist. Man mag es als symbolisch ansehen, daß dies der geplante Termin unseres wegen der Corona-Pandemie abgesagten 28. Kolloquiums zur Glockenkunde war: Dr. Patay war von Anfang an regelmäßiger Teilnehmer und Vortragender unserer Kolloquien, und als er, schon in biblischem Alter stehend, durch eine Beinamputation an der persönlichen Teilnahme gehindert wurde, bezeugte er jedesmal bis zuletzt seine geistige Teilnahme auf schriftlichem Wege.
Persönlich kennengelernt haben wir uns im Jahre 1988 auf einer campanologischen Tagung im damals noch im sowjetrussischen Herrschaftsbereich liegenden Erfurt, an die sich im Laufe der Veränderungen des Jahres 1989 ein Besuch Pál Patays in Frankfurt mit Fahrt zum damaligen Standort des Deutschen Glockenmuseums in Greifenstein und nachfolgend ein Gegenbesuch in Budapest und Fahrten zu wichtigen campanologischen Orten Ungarns anschlossen.
In der Folge entwickelte sich ein regelmäßiger wissenschaftlicher Austausch, verbunden mit seinen in deutscher Sprache frei gehaltenen, Ungarn betreffenden campanologischen Vorträgen auf den 1991 beginnenden Kolloquien zur Glockenkunde und Beiträgen erstmals im Jahrbuch für Glockenkunde 1/2 (1989/90), die er aus in einem langen Forscherleben gesammeltem Material schöpfte: ein allerletzter ist soeben im neuen Jahrbuch 31/32 (2019/20) im Druck erschienen, das auch Berichte über das Festkolloquium des Ungarischen Nationalmuseums aus Anlaß des 105. Geburtstages des Nestors der ungarischen Anthropologie und Archäologie sowie der Feier seines in der langen Geschichte der 1635 gegründeten Universität Budapest einzigartigen 80jährigen Doktorjubiläums enthält.
Pál Patay war eine beeindruckende Persönlichkeit von großer Bildung, eminentem Fachwissen, in einem langen, unter den repressiven Bedingungen eines Besatzungsregimes nicht immer leichten Leben gereifter Lebensweisheit und persönlicher Liebenswürdigkeit. Sein Angebot persönlicher Freundschaft habe ich immer als eine große Ehre empfunden. Der Vorstand des Deutschen Glockenmuseums hatte ihn schon im Jahre 2002 wegen seiner grundlegenden und wegweisenden fachlichen Verdienste in der Glockenforschung, wegen seiner zahlreichen Vorträge auf den Kolloquien zur Glockenkunde und Veröffentlichungen in den Publikationsreihen des Deutschen Glockenmuseums und wegen seines beispielhaften Engagements in dessen Wissenschaftlichem Beirat zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt.
Nun ist er für immer von uns gegangen. Sein wissenschaftliches Erbe sowohl in ungarischer wie auch in deutscher Sprache verbleiben uns wie auch die Erinnerung an einen liebenswerten Menschen. Requiescat in pace.
Dr. Konrad Bund,
von 1985 – 2020 Wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Glockenmuseums