Digitalisierung des Huverstuhl-Nachlasses angelaufen

Nach vielen Jahrzehnten erste Abspielung einer Decelith-Schallfolie im Medienarchiv Bielefeld
Nach vielen Jahrzehnten erste Abspielung einer Decelith-Schallfolie im Medienarchiv Bielefeld

Seit über 20 Jahren ist das Deutsche Glockenmuseum in Besitz einer Sammlung von Decelith-Schallfolien und Hartplatten aus dem Nachlass des Kölners Dr. Peter Huverstuhl (1904-1988). Dieser unterhielt zur Zeit der Glockenabnahme im Zweiten Weltkrieg ein Tonstudio und fertigte von vielen Glocken und Geläuten in Köln und dem Rheinland Tonaufnahmen an, die er nach der Abnahme an die Gemeinden verkaufte. Auf diese Weise sind einzigartige Tondokumente im Krieg vernichteter Glocken und Geläute entstanden, die zum großen Teil der Öffentlichkeit unbekannt sind. Hinzu kommen Abschriften von Korrespondenzen zwischen Huverstuhl und den Gemeinden, aber auch anderen Institutionen wie der Gestapo, mit der er aufgrund des Mitschnitts von Predigten zur Verabschiedung der abzuliefernden Glocken in Konflikt geriet.

Historische Schatzkiste mit Decelith-Schallfolien
Munitionskiste mit Decelith-Schallfolien

Bei der Archivierung des Nachlasses listete der damalige Wissenschaftliche Leiter des Deutschen Glockenmuseums, Dr. Konrad Bund, die zur Digitalisierung erforderlichen Maßnahmen auf (vgl. Jahrbuch für Glockenkunde, 13/14 [2001/02], S. 583-607), die in etwa mit jenen deckungsgleich sind, die auch das Historische Archiv der Stadt Köln hinsichtlich der Behandlung der etwa 2.000 Folien formulierte, auf denen Mitschnitte von Rundfunksendungen aus den Jahren 1940-44 aus dem Nachlass Huverstuhls enthalten sind. Die Digitalisierung der Folien aus dem Historischen Archiv hatte bereits vor einigen Jahren das Deutsche Rundfunkarchiv besorgt, das ein großes Interesse an Ton-Dokumenten des Rundfunks aus der NS-Zeit zeigte.

Durch einen im Rahmen des 30. Kolloquiums zur Glockenkunde anlässlich des 100. Geburtstags der Kölner Petersglocke zustande gekommenen Kontakt zu Marc Michalzik und Thomas Nickel, die ausgewiesene Experten für Studio- sowie analoge Aufnahme- und Abspieltechnik sind, nahm das Digitalisierungs-Projekt allmählich Form an. Nach einigen Gesprächen stellte sich heraus, dass das Medienarchiv Bielefeld genau die richtige Adresse ist, um die 47 teilweise beidseitig bespielten Decelith-Folien und 58 Schellackplatten zu sichten und nach einer vorsichtigen Reinigung erstmals zum Klingen zu bringen. Acht Folien waren allerdings so stark verklebt, dass sie bei Marc Michalzik und seiner Frau Monika zunächst im Ultraschallbad gereinigt werden mussten, bevor sie in einer weiteren Sitzung digitalisiert werden.

Reinigung der Decelith-Schallfolien im Ultraschallbad
Reinigung der Decelith-Schallfolien im Ultraschallbad

Aktuell wird untersucht, wie intensiv eine Reinigung der Folien und Platten sinnvoll ist, ohne deren Substanz und die Qualität der Aufnahmen zu beschädigen bzw. zu reduzieren. Hierzu hat es bereits ein Gespräch zum Erfahrungsaustausch mit dem Deutschen Rundfunkarchiv gegeben. Es wird in jedem Fall aber eine umfangreiche Bearbeitung der Digitalisate erforderlich sein, um die Aufnahmen klanglich zu optimieren. Darüber hinaus stellen manche der Aufnahmen hinsichtlich der Zuordnung eine Herausforderung dar, da nicht alle Folien leserlich beschriftet sind. Das Projekt ist also angelaufen, aber noch lange nicht am Ziel. Über den aktuellen Stand soll auf dem 31. Kolloquium zur Glockenkunde in Gescher (3.10. – 6.10.2024) berichtet werden.

Artikel im Westfalen-Blatt vom 28.02.2024