Glockenguss und Glockenmusik sind Immaterielles Kulturerbe: Würdigung und Verpflichtung

Die Mitglieder des Fachkomitees Immaterielles Kulturerbe bei der Deutschen UNESCO-Kommission haben die Tradition des Glockengusses und die Glockenmusik am 26. März 2025 offiziell in die Liste des immateriellen Kulturerbes in Deutschland aufgenommen.

Würdigung einer jahrhundertealten Tradition

Glockenguss vor dem Kölner Dom

Der Glockenguss und die damit verbundene Glockenmusik werden nicht nur als handwerkliche Traditionen gewürdigt, sondern auch als kulturelle Ausdrucksformen, die tief in der Geschichte unserer Gesellschaft verwurzelt sind. Der Glockenguss selbst ist ein jahrhundertealter Handwerksprozess, der Wissen und Erfahrung erfordert und als Kunstfertigkeit oft von Generation zu Generation weitergegeben wird und somit auch ein Zeichen für kulturelle Kontinuität darstellt.
Glockenmusik, die oft in Kirchen, auf Plätzen oder bei festlichen Anlässen erklingt, hat eine tiefgreifende Wirkung auf die Gemeinschaft. Sie markiert nicht nur die Zeit, sondern spielt auch eine zentrale Rolle in religiösen Zeremonien, Feierlichkeiten oder auch Trauerfällen. So können die Klänge der Glocken Emotionen hervorrufen und  das Gemeinschaftsgefühl stärken und sind damit Teil des kollektiven Gedächtnisses, das die Identität einer Gemeinschaft prägt.

Ein Appell an Kreativität statt Resignation

Diese Entscheidung wird von den Kirchen in Deutschland als bedeutende Anerkennung ihrer kulturellen und spirituellen Rolle gefeiert. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, und Kirsten Fehrs, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, betonten die kulturelle Bedeutung des Glockenklangs und des Glockengusses mit einer einzigartigen Verbindung von Kunsthandwerk und religiöser Praxis. Gleichzeitig wirft die Ernennung die Frage auf, wie dieses Erbe angesichts der aktuellen Herausforderungen bewahrt werden kann.

Jan Hendrik Stens, Vorsitzender des Vereins Deutsches Glockenmuseum e.V., äußerte sich in einem Kommentar für das domradio.de zur Verantwortung der Kirchen. Er betonte, dass das Läuten und Spielen von Glocken Gemeinschaft stiftet und symbolische Bedeutung besitzt – sowohl für religiöse als auch weltliche Anlässe. Dennoch sieht er eine Herausforderung darin, dieses Kulturerbe angesichts Kirchenschließungen und sinkender Gottesdienstbesucherzahlen zu erhalten. Kreativität sei gefragt, um über traditionelle Gottesdienste hinaus neue Wege zu finden, etwa durch ökumenische Initiativen oder innovative Nutzung des Geläuts. Stens kritisiert zudem interne Widerstände innerhalb der Kirchen. Geistliche und Ehrenamtliche würden das Läuten manchmal abwertend als „Bimmelei“ bezeichnen oder bewusst reduzieren, um Konflikte zu vermeiden. Diese Haltung gefährde das Kulturerbe ebenso wie externe Beschwerden über Ruhestörung. Er fordert die Kirchen auf, Fachpersonal einzusetzen und Schulungen anzubieten, um das Verständnis für die kulturelle Bedeutung der Glockenmusik zu fördern.

Verpflichtung für die Kirchen 

Glockenkonzert am Kölner Dom

Durch die Aufnahme in die UNESCO-Liste genießen Glocken einen neuen Status, wie Prof. Dr. Michael G. Kaufmann, Mitglied im Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen, in einem Interview als Mitinitiator der Antragstellung berichtet. Dieser Status bietet den Kirchen eine Chance, den Wert der Glockenkultur neu zu beleben. So kann der Klang der Glocken nicht nur als religiöses Symbol betrachtet, sondern aktiv in das kulturelle Leben eingebunden werden. Positive Beispiele wie Glockenkonzerte zeigen, wie gemeinschaftsstiftend diese Tradition sein kann.

Die Aufnahme des Glockengusses und der Glockenmusik in die Liste des Immateriellen Kulturerbes ist mehr als eine Ehrung – sie ist eine Verpflichtung für die Kirchen und alle Kulturträger, dieses Erbe aktiv zu bewahren und kreativ weiterzuentwickeln.