Kolloquium zum 100. Geburtstag der Petersglocke erfolgreich beendet

Die Teilnehmer des Kolloquiums im vollbesetzten Antonius-Saal
Teilnehmer des Kolloquiums im vollbesetzten Antonius-Saal

Mit großer Zufriedenheit blicken das Deutschen Glockenmuseum und die Teilnehmer des 30. Kolloquiums zur Glockenkunde auf die vergangenen Tage in Köln zurück. 140 Glockensachverständige, Glockengießer, Campanologen und Interessierte trafen sich aus Anlass des 100. Geburtstags der Petersglocke seit Freitag in der Domstadt, um in Form von Vorträgen, Diskussionen und Exkursionen ins Gespräch zu kommen. Einige der Teilnehmer kamen aus dem europäischen Ausland, darunter Finnland, Estland, Litauen und Belarus. Eingebettet war das Kolloquium in den 4. Europäischen Glockentag, der zum Petersglocken-Jubiläum vom 4. bis zum 7. Mai in Köln stattfand und bei dessen Koordination und Durchführung das Deutsche Glockenmuseum dem Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen als Kooperationspartner zur Seite stand.

Konrad Adenauer im Gespräch
Konrad Adenauer im Gespräch

Nach der festlich eingeläuteten ökumenischen Morgenandacht mit Pfarrer Markus Herzberg in der Antoniterkirche konnte am Freitag Vereinsvorsitzender Jan Hendrik Stens Gäste und Referenten im vollbesetzten Antonius-Saal der AntoniterCityKirche begrüßen. Dieser Kolloquiums-Tag stand ganz im Zeichen der Petersglocke, die vor genau 100 Jahren im thüringischen Apolda gegossen worden war. Dombaumeister Peter Füssenich näherte sich im Eröffnungsvortrag mit den Zuhörern dem Kölner Dom als einem Bauwerk von europäischem Rang und wies auf die unterschiedlichen Orte der Glockenstuben im Laufe der Jahrhunderte hin. Tassilo Küpper, emeritierter Mathematikprofessor und ehemals Rektor der Kölner Universität, untersuchte die Vorgängerin der Petersglocke, die im Ersten Weltkrieg untergegangene Kaiserglocke, als dynamisches System. Wichtig war ihm dabei, die Zusammenhänge so zu vermitteln, dass sie auch von Nicht-Fachleuten verstanden werden. Im Rahmen der Kölner Kinderuni hatte Küpper dazu ein Theaterstück aufgeführt, welches Kinder für die Mathematik begeistern sollte. Joachim Oepen vom Historischen Archiv des Erzbistums Köln beleuchtete die geschichtlichen Hintergründe vor 100 Jahren. Das Jahr 1923 war einerseits von großen politischen und wirtschaftlichen Krisen bestimmt, die die noch junge Republik an den Rand des Abgrunds brachten. Doch begann in jener Zeit auch ein kultureller Aufbruch, der in die „Goldenen Zwanziger Jahre“ führte. Konrad Adenauer, Enkel des gleichnamigen Oberbürgermeisters und Bundeskanzlers, erläuterte die Rolle seines Großvaters bei der Beschaffung der Petersglocke und wies auf weitere Glocken-Stiftungen wie die der großen Rathaus-Stundenglocke hin. Den Kölner Dom als „deutsche Nationalkirche“ mit der „Deutschen Glocke am Rhein“ interpretierte der Referent dahingehend, dass zentrale Gedenkveranstaltungen wie zum Beispiel zum Tode von Päpsten ebendort stattgefunden haben. Dabei bedauerte Adenauer, dass es zum Tod von Papst Benedikt XVI. keine „gesamtdeutsche Messe und ein Läuten des Decken Pitter“ in Köln gegeben habe. „Mehr Mut, meine Herren im Domkapitel und in der Bischofskonferenz“, wünschte sich der Enkel des ehemaligen Oberbürgermeisters.

Außerordentlich gut besuchtes Glockenkonzert

Clara Oepen während ihres Vortrags
Clara Oepen während ihres Vortrags

Was dazu geführt hatte, dass die Petersglocke im Zweiten Weltkrieg vor der Ablieferung verschont geblieben war, war Thema des Vortrags von Clara Oepen. Die junge Geschichtsstudentin hatte sich erstmals im Rahmen einer Schülerarbeit mit der Thematik auseinandergesetzt und ihre Studien dazu vertieft. Musikalischen und technischen Aspekten der Petersglocke widmeten sich Theo Halekotte, Glockensachverständiger des Erzbistums Paderborn, und Max Klöcker von der Technischen Hochschule Köln. Mit aktuellen Daten konnte Michael Plitzner vom Europäischen Kompetenzzentrum für Glocken ECC-ProBell® die Teilnehmer versorgen. Am Tag zuvor hatte der Ingenieur erneut den musikalischen Fingerabdruck der Domglocken genommen und dabei festgestellt, dass der neue Klöppel der Petersglocke seinen Zweck, das Instrument zu schonen, voll und ganz erfüllt. In absehbarer Zeit würde man sich diesbezüglich auch den anderen wertvollen Domglocken zuwenden. Claus Peter, Glockensachverständiger der Evangelischen Kirche von Westfalen, stellte die Pretiosa und das mittelalterliche Domgeläut vor. Den in der Inschrift der Pretiosa genannten vierfachen Guss bezog Peter auf die Vorgängerglocken und nicht auf missglückte Glockengüsse rund um das Jahr 1448. Kein Glockengießer würde solche Missgeschicke in der Inschrift einer Glocke verewigen und so seine berufliche Karriere ruinieren. Zum Abschluss des Tages besuchten die Kolloquiums-Teilnehmer das Open Air-Glockenkonzert des Domes mit anschließendem öffentlichen Glockenguss auf dem Roncalliplatz. Dies war mit etwa 2.000 weiteren Besuchern, die dem Regen trotzten, außerordentlich gut besucht.

Domküster Patrick Schroers an den Glockenschaltern des Kölner Domes
Domküster Patrick Schroers an den Glockenschaltern des Kölner Domes

Am Samstag widmete sich das Kolloquium weiteren Themen wie dem Dengeln oder Beiern, welches im Rheinland heute noch gepflegt wird und dessen Erforschung sich Alois Döring schon vor Jahrzehnten verschrieben hatte. Der Vortrag wurde wegen der Abwesenheit des Referenten aus gesundheitlichen Gründen von Matthias Braun verlesen, der an diesem Tag gleich zweimal das Beiern an den vier großen Glocken der Antoniterkirche vorführte. Am Mittag lud Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker zu einem Empfang in das Historische Rathaus, dem auch die Kolloquiumsteilnehmer folgten. Im Anschluss gab Vereinsmitglied Christian Michel, Carillonneur aus Hannover, ein einstündiges Konzert auf dem Carillon/Glockenspiel des Kölner Ratsturmes mit heiteren und populären Melodien, die für alle in der Stadt zu hören waren. Wie Abhilfe geschaffen werden kann, wenn Kirchtürme beim Glockenläuten selbst zu schwingen beginnen, erklärte Roman Klik vom Ingenieurbüro Wolfram Kuhlmann in Herzogenrath. Dazu wurde den Besuchern des Kolloquiums die Teilnahme an einer praktischen Übung angeboten, die auf dem Westturm der Basilika St. Aposteln am Neumarkt stattfand. Den rechtlichen Aspekten des Glockenläutens und auch dem Umgang mit sogenannten Leih- oder Patenglocken aus den ehemals deutschen Ostgebieten jenseits von Oder und Neiße widmete sich Ansgar Hense, Leiter des Instituts für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands. Konkrete Beispiele der Rückführung solcher Glocken an ihre angestammten Orte, wie sie die Diözese Rottenburg-Stuttgart betreibt, nannte Roman Schmid.

Glockenspaziergang mit Reminiszenz an Königskrönung

Sebastian Schritt mit den Teilnehmern des Glockenspaziergangs in der Basilika St. Kunibert
Sebastian Schritt mit den Teilnehmern des Glockenspaziergangs in der Basilika St. Kunibert

Parallel zur Fachtagung lud das Deutsche Glockenmuseum am Samstag zu einem ganztägigen Glockenspaziergang durch die Kölner Altstadt ein. Christophe Coulot und Sebastian Schritt führten mehrere Dutzend Interessierte von Kirchturm zu Kirchturm und stellten die einzelnen Geläute vor. Trotz der Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs sind in manchem Glockenstuhl zum Teil wertvolle Instrumente erhalten geblieben. An den einzelnen Stationen wurden die Teilnehmer des Spaziergangs von Mitarbeitern der jeweiligen Kirchen freundlich empfangen und begrüßt. Meik Impekoven, Kantor der Basilika St. Aposteln, spielte auf der dortigen großen Orgel die Krönungshymne „Zadok the priest“ von Georg Friedrich Händel in einer Bearbeitung von William Thomas Best und gab dadurch eine Reminiszenz an die gleichzeitig in London stattfindende Krönung von Charles III.

Teilnehmer des Glockenspaziergangs nehmen die Glocken der Basilika St. Gereon auf
Teilnehmer des Glockenspaziergangs nehmen die Glocken der Basilika St. Gereon auf

Die sich dem Kolloquium anschließende Jahreshauptversammlung des Deutschen Glockenmuseums war vor allem von einem Wechsel im Vorstand bestimmt. Matthias Braun legte sein Amt als Geschäftsführer nach zehn Jahren nieder. Zu seinem Nachfolger wurde Sebastian Schritt aus Trier gewählt. Braun wird dem Vorstand als Beisitzer weiterhin erhalten bleiben. In ihren Arbeitsberichten legten Vereinsvorsitzender Stens und Alt-Geschäftsführer Braun zudem dar, wie schwierig und mit Hindernissen versehen die Organisation des Kolloquiums und des Glockentags mitunter gewesen sei. Deren weitgehend reibungsloser Verlauf und auch die Rückmeldungen der Teilnehmer belohnten dies jedoch im Nachhinein.

Exkursion ins Bergische Land mit Beiervorführung

Teilnehmer der Exkursion in der Altstadtkirche von Bergneustadt
Teilnehmer der Exkursion in der Altstadtkirche von Bergneustadt

Nach dem Kapitelsamt in Kölner Dom am Sonntag, in welchem die am Freitagabend gegossene Glocke für die Elendskirche geweiht worden war, begaben sich knapp 80 Kolloquiumsteilnehmer mit einem Bus auf Exkursion in das Bergische Land zu vier ausgewählten Geläuten vor allem mit historischem Glockenbestand. In Much wurde zudem durch die örtliche Beiermannschaft auch noch einmal der im Rheinland verbreitete alte Brauch des Glockenbeierns vorgeführt. Trotz des wechselhaften Wetters mit einigen zum Teil ergiebigen Regenschauern konnten die meisten der Geläute in Much, Bergneustadt, Müllenbach und Odenthal ohne Einbußen und Abstriche angehört werden.

Das nächste Kolloquium zur Glockenkunde wird vom 3. bis zum 6. Oktober 2024 dann wieder im westfälischen Gescher, dem Standort des Vereins, stattfinden. Für den üblichen Herbsttermin Anfang Oktober ist in diesem Jahr ein weiterer Campanologischer Abend im Online-Format geplant.

TV Berichte

ARD Tagesschau vom 5.5.2023

ARD Tagesthemen vom 5.5.2023

MDR Thüringen Journal vom 5.5.2023

WDR Lokalzeit Köln vom 5.5.2023 (ab Minute 16:10)

 

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